Zu den Reaktionen auf unseren offenen Brief vom 13.12.18

Zunächst einmal vielen Dank für die öffentlichen Antwortbriefe, die wir von Oberbürgermeister Boris Palmer und der Geschäftsstelle von Terre des Femmes  als Reaktion auf unseren offenen Brief vom 13.12. erhalten haben. Ebenso möchten wir Danke sagen für die vielen positiven Rückmeldungen, Solidaritätsbekundungen und Diskussionsbeiträge, die uns erreicht haben. Das zeigt, dass wir mit unserer Position nicht alleine stehen.

Es ging und geht uns in erster Linie darum, widerzuspiegeln, was wir und die Mädchen, die mit uns am 25.11. im Rathaus waren – nicht nur als Besucherinnen, sondern als Mitgestalterinnen der Veranstaltung „den Mädchen das Rathaus“ – bei der Themenwahl und Zielrichtung des Grußwortes(!) von Boris Palmer gedacht und empfunden haben. Es geht darum, unsere Perspektive aufzuzeigen, Wirkungsweisen sichtbar zu machen und auch darum gegen den Eindruck zu arbeiten, für politische Statements instrumentalisiert zu werden. Genau das ist nun wieder geschehen: unsere eigentlichen Kritikpunkte an Herrn Palmers Grußwort wurden zum Aufhänger für ein Statement zum Kopftuchverbot. Wir halten daran fest, was wir bereits in unserem offenen Brief formuliert haben: ein Diskurs um das Kopftuch bei Musliminnen kann zielführend nur in sicheren Räumen und von Musliminnen selbst geführt werden und nicht „von oben herab“ durch den Oberbürgermeister in Form einer Verbotsforderung. Im Zusammenhang mit unserem Brief, den Reaktionen und bezogen auf die angesprochene Terre de Femmes Kampagne zum Verbot des Kopftuches für Mädchen und junge Frauen, können wir einige Inhalte der Antwortschreiben aber nicht unkommentiert lassen. Deshalb möchten wir an dieser Stelle zusätzlich einige Tatsachen benennen und folgende Aspekte zu bedenken geben:

Die Kampagne zielt auf ein Kopftuchverbot für alle Mädchen und junge Frauen bis 18 Jahren in der Öffentlichkeit, vor allem in Bildungseinrichtungen. In Deutschland gibt es, gesetzlich verankert, Religionsmündigkeit mit 14 Jahren. Religiöse, spirituelle und weltanschauliche Einstellungen werden selbstverständlich, zum Teil sehr rigide, durch Elternhäuser und gesellschaftliche Systeme geprägt. Die Frage danach, wie weitreichend diese  Prägung ist und wo die persönliche Wahlfreiheit beginnt, stellt sich, aber nicht nur in Bezug auf das Kopftuch von Musliminnen. Wir möchten hören, was Mädchen uns sagen und das auch ernst nehmen.

Wozu würde ein Kopftuchverbot beitragen? Wir denken, zu mehr Ausgrenzung von Mädchen und jungen Frauen aus dem öffentlichen Leben. Mädchen wären noch stärker dazu gezwungen in einem unlösbaren Spagat von Erwartungen und Zuschreibungen zu leben. Wir sprechen uns gegen ein Verbot und für Offenheit und Toleranz aus und sehen die Mädchen als Akteurinnen, mit denen wir gemeinsam Strategien entwickeln, die sie zu selbstbestimmten Entscheidungen befähigen.

Es gilt darüber zu reflektieren, wer spricht über wen? Wessen Perspektive wird öffentlich und wessen Stimme wird dabei nicht gehört? Wenn Herr Palmer von einer pluralistischen Demokratie spricht, heißt das für uns in erster Linie,  verschiedenen Stimmen Gehör zu verschaffen. Deshalb wollen wir dazu aufrufen,  die Debatte zu öffnen und weiterzugeben an einen größeren Kreis an  Akteur*innen, mit dem Ziel, einen Diskurs auf Augenhöhe zu führen, mit Menschen, die sich bewusst dafür entscheiden, diese Diskussion unter ihren Bedingungen zu führen. Und nicht auf dem Rücken der Mädchen, die sich am 25.11. gegen Gewalt an Frauen und Mädchen engagiert haben und nun unfreiwillig zum Aufhänger einer Diskussion wurden, die über sie und nicht mit ihnen geführt wird. Genau dieser Mechanismus entmündigt,  macht sprachlos und lässt Teilhabe nicht zu.

 

Mädchen*treff e.V.